
Beitrag in Börsen-Zeitung: Bundesarbeitsgericht blockiert Job-Abstellgleis
1. Juli 2017 - Paukenschlag für Führungskräfte: Versucht der Arbeitgeber sie rechtswidrig zu versetzen, dürfen sie ab sofort weiter auf ihrem alten Job bleiben. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt das Bundesarbeitsgericht (10. Senat). Bisher mussten Angestellte zunächst intern den neuen Job antreten und konnten auf ihren alten Posten erst zurückkehren, nachdem ihnen ein Gericht dazu grünes Licht gab. Doch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung vergehen schon einmal zwei Jahre. Es ist daher ein gern genutztes Druckmittel von Arbeitgebern, um ungewollte Führungskräfte loszuwerden. Denn wer erst einmal von einem Tag auf den anderen hunderte Kilometer versetzt wird, ist erheblich eher dazu bereit, seinen unbefristeten Job „freiwillig“ aufzugeben. Und dies ist die günstigste Lösung für Unternehmen. Dieser BAG-Beschluss ist daher von großem Wert für tausende Führungskräfte. Denn mit der Entscheidung wird Arbeitgebern die Möglichkeit genommen, ihre verdientesten Angestellten aufs Job-Abstellgleis zu verfrachten.
Praxis in Banken
Der Praxis der Unternehmen geht dabei ganz einfach: Sie berufen sich auf ihr so genanntes Weisungsrecht. Es sieht vor, dass Arbeitgeber – innerhalb eines Rahmens – ihren Angestellten Dinge auftragen dürfen. Dazu gehört teils auch der Ort ihrer Arbeitsstätte. Besonders beliebt ist dieses Vorgehen derzeit in der Bankbranche. Alle großen Geldhäuser, die sich aktuell von Personal trennen, greifen zu diesem Kniff. Denn das große Problem der Banken lautet: Alle langjährig verdienten Mitarbeiter (und damit besonders die eher teureren Führungskräfte) besitzen einen erheblichen Kündigungsschutz. Um Führungskräfte dazu zu bewegen, sich auf fairem Wege zu trennen, bedarf es schon Abfindungen im mindestens hohen sechsstelligen Bereich. Übrigens: Neben der örtlichen Versetzung drohen Bankmitarbeitern auch immer wieder die Versetzungen in Projekte oder in niedriger bewertete Tätigkeiten. Als Folge erhalten andere Mitarbeiter den bisherigen Aufgabenbereich des Betroffenen übertragen.
Arbeitnehmerfreundlicher
Bisher galt: Wer einer Versetzung nicht nachkommt, riskiert seinen Job. Schließlich droht so die fristlose Kündigung – auch, wenn die Weisung unbillig oder vertragswidrig war. Besonders unangenehm ist diese Situation, weil die Dauer eines Arbeitsgerichtsprozesses in der Hand des Gerichts liegt. Betroffene mussten daher teils jahrelang dulden intern auf Jobs beschäftigt zu werden, die sie eigentlich gar nicht ausführen müssen. Grund: So lautet bislang die Rechtsprechung des fünften Senats des BAG. Doch nun sieht die Situation der zehnte Senat erheblich arbeitnehmerfreundlicher.
Die Richter sagen hier: Einer unbilligen Weisung muss schon vor einer rechtskräftigen Entscheidung nicht nachgekommen werden. Dieser Beschluss ist von größter Bedeutung, gerade für Führungskräfte. Endlich müssen sie den unwürdigen Umgang mit ihnen nicht weiter ertragen. Sollte der fünfte Senat der Auffassung des zehnten Senats nicht folgen, wird der Große Senat des BAG eine gemeinsame Entscheidung fällen.
Auf jeden Fall gilt schon heute: Unternehmen sind gut beraten, ihr Direktionsrechts nicht weiter als Maßregel-Instrument zu missbrauchen. Und für Führungskräfte heißt es: Protokollieren Sie Gespräche mit Vorgesetzten und der Personalabteilung. Vermeiden Sie vier-Augen-Gespräche. Sie sind auch nicht dazu verpflichtet, mit dem Arbeitgeber über eine Versetzung oder andere Änderung des Aufgabenbereiches zu verhandeln. Und Führungskräfte sollten sich vom Arbeitgeber schriftlich die vollständigen Konsequenzen für ihr Gehalt und ihre Karriere erläutern lassen. Hier geht’s um Fragen, ob der Zielbonus mittelfristig gesenkt werden soll und welche konkreten Anschlussperspektiven es gibt. Lippenbekenntnisse im Sinne von „Wir machen das schon“ oder auch „Das sehen wir mal“ sind brandgefährlich.
Direktionsrecht hinterfragen
Außerdem wichtig: Führungskräfte sollten das Direktionsrecht hinterfragen und den Arbeitgeber schriftlich auffordern, ihnen die Gründe für die Versetzung mitzuteilen. Ebenso wie die Frage, ob er die Interessen der Führungskraft berücksichtigt hat. Neben dem Direktionsrecht geht es nämlich zusätzlich auch um so genanntes „billiges Ermessen“. Dieses haben Unternehmen bei einer Weisung immer zusätzlich auszuüben und muss von Gerichten überprüft werden. Die Beweislast, verhältnismäßig abgewogen zu haben, liegt also beim Arbeitgeber. Wird das billige Ermessen nicht ausreichend begründet, können Unternehmen nicht mehr davon ausgehen, dass Angestellte ihrer Weisung Folge leisten müssen. Die Folge, gerade für die Bankenbranche: Personalabbauprozesse werden ab sofort fairer gestaltet.
Von Dr. Christoph Abeln und Marc Repey