In der anwaltlichen Beratung von Führungskräften und leitenden Angestellten stellt sich immer wieder die Frage, welchen arbeitsrechtlichen Schutz ein Geschäftsführer nach seiner Abberufung genießt. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.02.2025 – 14 SLa 578/24 eine Entscheidung getroffen, die für Praxis und Vertragsgestaltung gleichermaßen bedeutsam ist. Sie betrifft den Grenzbereich zwischen Organstellung und Arbeitsverhältnis und zeigt, dass abberufene Geschäftsführer nicht schutzlos sind.
Dem Verfahren lag die Klage eines früheren Geschäftsführers zugrunde, der auf Grundlage eines Arbeitsvertrags beschäftigt war und nach seiner Abberufung keine neue Position im Konzern erhielt. Die Gesellschaft kündigte das Arbeitsverhältnis, woraufhin der Kläger Kündigungsschutzklage erhob. Während das Arbeitsgericht Darmstadt mit Teilurteil vom 02.05.2024 – 8 Ca 153/23 die Klage abgewiesen hatte, gab das Landesarbeitsgericht der Berufung teilweise statt.
Nach Auffassung der Kammer war der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nicht mehr Geschäftsführer. Damit fand die Sonderregelung des § 14 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz, die den allgemeinen Kündigungsschutz für Organmitglieder ausschließt, keine Anwendung mehr. Maßgeblich sei allein, ob die Organstellung noch bestand, nicht aber, ob der zugrunde liegende Vertrag ursprünglich auch der Grundlage der Organbestellung diente. Mit der Abberufung entfalle die Vertretungsbefugnis und damit auch die Nähe zum Arbeitgeber, die den Ausschluss vom Kündigungsschutz rechtfertige.
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf eine am Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung. Der Ausschluss vom Kündigungsschutz beruhe auf der besonderen Position eines Geschäftsführers, der die Gesellschaft nach außen vertritt und die Arbeitgeberseite repräsentiert. Fällt diese Funktion weg, besteht kein sachlicher Grund mehr, dem Betroffenen den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes zu verwehren. Der abberufene Geschäftsführer wird damit wieder Arbeitnehmer im rechtlichen Sinn.
Von Bedeutung war zudem, dass der Anstellungsvertrag eine Weiterbeschäftigung außerhalb der Organstellung ausdrücklich vorsah. Die Gesellschaft hatte sich selbst vorbehalten, dem Kläger andere Aufgaben zuzuweisen. In einem solchen Fall ist es widersprüchlich, nach der Abberufung den Kündigungsschutz auszuschließen. Das Gericht stellte deshalb fest, dass die Kündigung mangels sozialer Rechtfertigung unwirksam war.
Bedeutung und Nutzen für die Praxis
Für die Praxis ist diese Entscheidung in mehrfacher Hinsicht wichtig. Sie zeigt zum einen, dass abberufene Geschäftsführer nicht schutzlos sind. Sobald die Organstellung endet, können sie sich grundsätzlich auf das Kündigungsschutzgesetz berufen. Zum anderen verdeutlicht sie, dass die vertragliche Gestaltung von besonderer Bedeutung ist. Wer einen Geschäftsführer auf Grundlage eines Arbeitsvertrags beschäftigt, sollte klar trennen zwischen der Organstellung und dem Arbeitsverhältnis. Nur so lässt sich vermeiden, dass nach der Abberufung Kündigungsschutz besteht, obwohl dies vom Unternehmen nicht gewollt war.
Für Führungskräfte und Geschäftsführer ergibt sich aus dem Urteil ein praktischer Nutzen. Wer eine Organstellung annimmt, sollte darauf achten, dass der Anstellungsvertrag klare Regelungen enthält, die das Beschäftigungsverhältnis im Fall einer Abberufung absichern. Eine vertragliche Klausel, die eine Weiterbeschäftigung ermöglicht, kann sich als entscheidender Schutz erweisen, wenn es später zu einer Trennung kommt. Ebenso empfiehlt es sich, bei Vertragsverhandlungen darauf zu achten, dass das Ende der Organstellung nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses gleichgesetzt wird.
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen. Unter dem Aktenzeichen 2 AZR 89/25 ist die Sache beim Bundesarbeitsgericht anhängig. Der Verhandlungstermin ist nach aktuellem Stand für den 29. Januar 2026 angesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht die Rechtsfrage bewertet. Bestätigt es die Linie des Landesarbeitsgerichts, wäre dies aus Sicht von Arbeitnehmervertretern ausdrücklich zu begrüßen, weil damit die Rechte abberufener Geschäftsführer gestärkt und klare Leitlinien für die Vertragsgestaltung geschaffen würden. Wir werden den weiteren Verlauf des Verfahrens verfolgen und nach der Entscheidung erneut berichten.



