Dienstwagen weg bei Freistellung? Das LAG Niedersachsen schützt Führungskräfte vor pauschalen Vertragsklauseln
Viele Unternehmen nutzen bei Kündigungen von Führungskräften die Möglichkeit der sofortigen Freistellung – auf Grundlage standardisierter Klauseln im Arbeitsvertrag. Gehalt wird weitergezahlt, doch Dienstwagen, Laptop oder Boni werden entzogen. Das wirkt professionell geregelt, ist aber oft unzulässig.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 22.05.2025 – 5 SLa 249/25) hat dieser Praxis nun klare Grenzen gesetzt: Eine formularmäßige Klausel, die den Arbeitgeber ohne sachlichen Grund zur sofortigen Freistellung berechtigt, ist unwirksam. Und: Wird ein Dienstwagen dadurch entzogen, steht dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zu – im entschiedenen Fall in Höhe von 510 € monatlich über fünf Monate.
Der Fall: Kündigung – und der Schlüssel ist weg
Ein Gebietsleiter hatte selbst gekündigt. Der Arbeitgeber reagierte mit sofortiger Freistellung – auf Basis einer Standardklausel – und forderte die Rückgabe des Dienstwagens. Dabei war vertraglich geregelt, dass der Wagen auch privat genutzt werden durfte und der Nutzungsvorteil (geldwerter Vorteil) monatlich 510 € betrug. Der Kläger forderte genau diesen Betrag als Entschädigung – für die gesamte Dauer der Freistellung.
Das Arbeitsgericht sprach ihm nur einen Monat zu. Das LAG Niedersachsen gab ihm in der Berufung vollumfänglich recht.
Die Kernaussage des Gerichts
Das Gericht hält die Freistellungsklausel im Arbeitsvertrag für unwirksam. Solche pauschalen Regelungen, die dem Arbeitgeber ein einseitiges Freistellungsrecht bei jeder Kündigung geben – unabhängig von konkreten Gründen – verstoßen gegen die gesetzliche Regelung zur Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 307 BGB).
Ohne wirksame Freistellung hätte der Arbeitnehmer den Dienstwagen behalten dürfen. Dessen ersatzlose Rückgabe war also rechtswidrig – und begründet einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des Nutzungsvorteils.
Was bedeutet das für Führungskräfte?
- Lassen Sie sich nicht vorschnell auf eine Freistellung ein – insbesondere nicht ohne Ausgleich für entgangene Vorteile wie Dienstwagen, Boni oder geldwerte Zusatzleistungen.
- Prüfen Sie die Freistellungsklausel im Vertrag: Ist sie pauschal und ohne Begründung ausgestaltet, kann sie unwirksam sein.
- Machen Sie Entschädigungsansprüche geltend, wenn Ihnen im Rahmen einer Freistellung vertraglich zugesicherte Leistungen genommen werden – selbst bei Eigenkündigung.
Das Urteil stärkt das Prinzip: Wer Pflichten erfüllt hat, darf auch mit Rechten rechnen – und darf nicht durch standardisierte Vertragsklauseln benachteiligt werden.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Arbeitgeber sollten ihre arbeitsvertraglichen Freistellungsklauseln dringend überprüfen lassen. Wer pauschale Formulierungen verwendet, riskiert nicht nur rechtliche Auseinandersetzungen – sondern auch die Rückzahlung von Vorteilen, die dem Arbeitnehmer zu Unrecht entzogen wurden.
Zudem gilt: Die bloße Eigenkündigung des Arbeitnehmers reicht nicht aus, um eine Freistellung zu rechtfertigen. Es müssen konkrete, nachprüfbare Interessen des Unternehmens vorliegen – etwa die Gefahr der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen oder eine ernsthafte Störung des Betriebsfriedens.
Fazit
Das LAG Niedersachsen zieht die Linie klar: Auch bei Kündigungen gelten Grundrechte. Standardklauseln ohne Rücksicht auf Einzelfälle sind unzulässig. Wer Beschäftigung verweigert und Dienstwagen entzieht, muss zahlen – auch bei eigener Kündigung des Arbeitnehmers.