23.6.2025
News

Virtuelle Aktienoptionen im Arbeitsverhältnis: Zwei Grundsatzurteile des BAG stärken Arbeitnehmerrechte

Dr. Krasimira Zuckerman

BAG positioniert sich neu zu virtuellen Aktienoptionen

Virtuelle Aktienoptionen sind aus modernen Vergütungssystemen – vor allem im Start-up-Umfeld – nicht mehr wegzudenken. Sie bieten Arbeitnehmern eine am Unternehmenserfolg orientierte Beteiligung, ohne dass echte Gesellschaftsanteile übertragen werden. Dennoch war lange umstritten, inwieweitsolche Optionen arbeitsrechtlich als Vergütung im engeren Sinne gelten – etwa im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder der Berechnung von Karenzentschädigungen.

Mit zwei wegweisenden Entscheidungen im März 2025 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zentrale Grundsatzfragen nun erstmals klar beantwortet:

- Am 19. März 2025 (Az. 10 AZR 67/24) entschied der Zehnte Senat, dass gevestete virtuelle Aktienoptionen nicht mehr automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen dürfen – und stellte damit die Gleichbehandlung mit herkömmlichen leistungsbezogenen Vergütungselementen her.

- Am 27. März 2025 (Az. 8 AZR 63/24) stellte der Achte Senat klar, wann Leistungen aus virtuellen Aktienoptionen bei der Berechnung einer Karenzentschädigung nach §§ 74 ff. HGB zu berücksichtigen sind.

Beide Urteile markieren eine deutliche Stärkung der vergütungsrechtlichenPosition von Arbeitnehmern und rücken virtuelle Beteiligungsmodelle näheran klassische Entgeltformen heran.

 

BAG vom 19. März 2025 – Kein automatischer Verfall gevesteter Optionen

Im ersten Verfahren hatte eine Führungskraft gegen den Verlust seiner bereits gevesteten, also ausübungsreifen virtuellen Aktienoptionen geklagt. Das Unternehmen hatte vertraglich vorgesehen, dass sämtliche nicht ausgeübten Optionen automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen – unabhängig davon, ob sie bereits unverfallbar waren.

Das BAG stellte sich nun erstmals gegen diese pauschale Regelung und urteilte:

„Bereits erdiente virtuelle Aktienoptionen dürfen mit Beendigung des  Arbeitsverhältnisses nicht unterschiedslos verfallen. Eine solche Klausel unterliegt der arbeitsrechtlichen Inhaltskontrolle und ist regelmäßig unwirksam.“

Damit verabschiedetsich das Gericht von seiner früher eher arbeitgeberfreundlichen Linie und betont den Vergütungscharakter bereits unverfallbarer Optionen. Entscheidend sei, dass sie bereits als Gegenleistung für geleistete Arbeit erbracht wurden – unabhängig vom Zeitpunkt der Ausübung oder Auszahlung.

Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

 

BAG vom 27. März 2025 – Virtuelle Optionen erhöhen die Karenzentschädigung (teilweise)

Im zweiten Verfahren ging es um die Berechnung der Karenzentschädigung bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot. Der Kläger hatte während seines Arbeitsverhältnisses virtuelle Aktienoptionen erhalten, die teilweise vor, teilweise nach der Beendigung ausgeübt wurden. Er verlangte, dass alle daraus resultierenden Zahlungen in die Berechnungsgrundlage der Karenzentschädigung einfließen.

Das BAG stellte klar, dass Leistungen aus virtuellen Aktienoptionen, die während des Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurden, als vertragsmäßige Leistungeni.S.d. § 74 Abs. 2 HGB zählen. Sie gelten als wechselnde Bezüge i.S.d.§ 74b Abs. 2 HGB und sind daher bei der Berechnung des Durchschnitts der letzten drei Jahre zu berücksichtigen.

Leistungen aus nachvertraglich ausgeübten Optionen bleiben hingegen außer Betracht, da sie nicht mehr während des Bestands des Arbeitsverhältnisses erworben wurden.

Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

 

Fazit: Zwei Urteile, ein klarer Kurs – das BAG stärkt die Stellung von Arbeitnehmern

Mit seinen Entscheidungen vom 19. und 27. März 2025 hat das BAG einen klaren Kurs eingeschlagen: Sie rücken virtuelle Aktienoptionen klar in die Nähe klassischer erfolgsabhängiger Vergütungskomponenten. Damit wird deutlich, dass virtuelle Beteiligungen nicht länger ein rein gesellschaftsrechtliches Bonusinstrument sind, sondern der strengen arbeitsrechtlichen Bewertung unterliegen.

Arbeitnehmer sollten diese Entwicklungen zum Anlass nehmen, ihre Arbeitsverträge, Beteiligungsprogramme und nachvertraglichen Verpflichtungen rechtlich prüfen zu lassen – vor allem in Situationen der Trennung vom Arbeitgeber.